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Festschrift
Hirsau zur Orgelweihe am 27. Juni 2004, herausgegeben
von der Kath. Kirchengemeinde St. Lioba in Bad Liebenzell.
Gedanken zum Entwurf und zur Gestaltung der Aurelius-Orgel Das Prinzip Orgel, ein künstlich
erzeugter Wind, über eine durch den Organisten gesteuerte technische
Anlage zu den Pfeifen geführt, existiert seit mehr als zweitausend
Jahren. Die Orgel muss also nicht neu erfunden werden. Dennoch gibt es
für das einzelne Instrument keine allgemeingültige Ausprägung,
wie beispielsweise für die Violine oder das Klavier und kann es wohl
auch nie geben. Die Variationsbreite ist viel zu groß. Ist aber die
Ausführung jeder gestalterisch und technisch möglichen Idee erlaubt
?
Den Möglichkeiten und unterschiedlichen Räumen entsprechend kann eine Orgel enorm groß an Abmessung und Registerzahl sein, oder eben auch klein. Dabei entscheidet die Registerzahl und die Abmessung nicht über die Qualität. Diese wird allein von den vier oben genannten Punkten bestimmt. Wohl aber ist die Registerzahl typbestimmend und führt den Organisten zu spezifischer Orgelliteratur entsprechender Stilepochen. Manche Kompositionen kommen besonders gut auf kleinen, einmanualigen Instrumenten mit sensiblem, präsentem Klang zur Geltung, andere benötigen den großen, durch viele Register sich ergebenden, symphonischen Klang im weiten Raum einer Kathedrale. Jeder Orgeltyp hat seine eigene Geschichte und regte und regt die Musiker zu eigenen Kompositionen an. Eine Orgel benötigt aber letztlich nicht mehr als einen Tastenumfang von vier Oktaven und ein oder zwei gesunde, sprechende 8-fuß Register, um liturgietauglich zu sein. Auf keinem Instrument kann gleichermaßen authentisch Musik des Barock und der Neuzeit, oder der Renaissance und des 19. Jahrhunderts dargestellt werden. Was das Instrument zulässt, klingt aber umso überzeugender, je charaktervoller eine Orgel klingt, je eindeutiger sie einer bestimmten Kulturepoche zugeordnet werden kann. Wollte man die Pfeifenorgel allgemeingültig beschreiben, dann muss das einzelne Instrument als Mosaikstein unter vielen anderen Mosaiksteinen gesehen werden, welche erst alle miteinander das vollständige Orgelbild ergeben. Mit der neuen Aurelius-Orgel wurde auf geringer Grundfläche ein großer klanglicher Effekt angestrebt. Ein uraltes Rezept, das Pfeifenwerk möglichst flach wie ein Bild vor einer Wand auszubreiten, bringt jedem Register ein hohes Maß an Präsenz. Zugleich entstehen Konturen, die aus der Orgelbaugeschichte bekannt sind und dem uralten Raum der Aureliuskirche entgegengehen. Die klangliche Mitte des Instruments ist im frühen 18. Jahrhundert zu finden. Das wird auch durch die Art der Winderzeugung bestätigt: zwei Keilbälge (Froschmaulbälge) auf dem Dachboden über der Orgel, die auch manuell betätigt werden können. Für den Bau aller Einzelteile der neuen Aurelius - Orgel wurden ausschließlich natürliche Materialien verwendet wie: Eichenholz aus dem Schönbuch, gewässert, für das Gehäuse, die Windladen, die Mechanik, die Bälge, Fichtenholz für die Pfeifen des Gedecktregisters im Brustwerk, für die Abstrakten und die Tasten, Buchsbaum und Ebenholz für die Manualtastenbeläge, Schafsleder für den Balg und für Ventildichtungen, Zinn und Blei für die Pfeifen und verschiedene Halbzeuge wie Darmsaiten, Draht und Schrauben von Messing, Vierkant-Eisenrohr für Mechanikwellen, Ledermuttern, Tuche, Filze und manches andere. Sie wurde gänzlich in unserer Seitzentaler Werkstatt von den Orgelbauern Manfred Zeller, Hans-Peter Eckert, Mathias Jung, Tobias Merkle, Tudor Roberts, Thomas Dehmel, Winfried Kirchfeld, Alexander Seyfried und Johannes Rohlf in rund 3.700 Arbeitsstunden gebaut. Wir sind der Katholischen Kirchengemeinde in Bad Liebenzell und in Hirsau sehr dankbar und verbunden für das geschenkte Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue Orgel in St. Aurelius ganz selbstverständlich in das musikalische Leben der Gemeinde hineinwächst. Johannes Rohlf
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