Themen in der Werkstatt ROHLF
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Festschrift Altbulach zur Einweihung am 10. Oktober 2004, herausgegeben von der Evang. Kirchengemeinde Neubulach.

Die Mauritiuskirche in AltbulachDie neue Orgel und ihr KlangDruckversion 53 kB

Der spezifische Klang eines Musikinstruments entscheidet über seine Güte. Auch bei der Orgel ist das so. Je nach Instrumentengattung spielen für die Klanggebung sehr unterschiedliche Materialien und Funktionsweisen eine Rolle. Abgesehen von elektronischen Musikinstrumenten erzeugen die meisten Tasteninstrumente den Klang mittels Stahl- oder Messingsaiten, gezupft oder geschlagen, deren Schwingungen über Resonanzholz, über einen Resonanzboden verstärkt werden. Letztendlich versetzt die Energie des Fingers, also die Kraft des Spielers, die Saite in Schwingung, welche zusammen mit dem erregten Resonanzholz den Klang hervorbringt.

Die Energie zum Erzeugen des Orgeltones kommt dagegen nicht vom Spieler, sondern vom Balg. Dem Orgelspieler wird über komprimierte Luft, über gespeicherten Wind die wesentliche Energie zur Tonerzeugung bereitgestellt. Den Windvorrat besorgt entweder ein Bälgetreter, auch Kalkant genannt, oder ein Schleudergebläse. Die Arbeit des Organisten besteht lediglich im Öffnen und Schließen von Ventilen, was mittels Tasten und Registerzügen bewerkstelligt wird.

So gesehen ist die Orgel ein recht stark technisiertes Gerät, das oft als Maschine oder Skulptur gesehen wird. Selbst der Orgelbauer kann sich in der Technik des Instruments oder seiner Architektur verfangen und den Blick für das Eigentliche verlieren, anstatt sowohl die technische Funktion als ebenso die äußere Gestalt im Dienst des Klanges zu sehen.

Für uns Orgelbauer im Seitzental ist die Orgel zuallererst ein Musikinstrument. Vom ersten Zeichenstrich an bedenken wir die akustische Seite der Orgel, die praktisch mit allem, was wir tun, berührt wird. Alle Maße, die Windanlage, die Funktionsweise der Mechanik, der Standort jeder einzelnen Pfeife im Instrument, die Materialien und die Behandlung des Materials im Detail; alles dies beeinflusst den Klang und wird deshalb immer wieder hinterfragt und an unseren Erfahrungen gemessen.

Anders als beim Saiteninstrument ist aber z.B das Holz des Orgelgehäuses nicht direkt an der Tonentstehung beteiligt, wohl aber an der Einfärbung des Klanges. Mit dem Material werden Hohlräume geschaffen, welche Luft umschließen, die durch den Wind in Schwingung versetzt wird. So auch die Luft im Hohlraum des Pfeifenkörpers. Um diesen herum bildet sich dann ein Schallfeld, das die Luft im Orgelkasten erregt.

Nun sind wir in der glücklichen Lage, aus einer jahrhunderte währenden Tradition heraus arbeiten zu können. Da wir den herrlichen Klang historischer Instrumente schätzen und diesen für die Wiedergabe unsrer kostbaren, abendländischen Orgelliteratur ebenso wünschen, wie für die Gestaltung des Gottesdienstes, besitzen wir beste Vorgaben für die Orgelplanung. Wir sind uns darin sicher, auf diesem Weg der Zukunft der Orgel am nützlichsten zu sein.
Die neue Orgel für die Mauritiuskirche in Altbulach wurde im Sinn dieser Ausrichtung gebaut.Das Eichenholz wurde aus dem Schönbuch bezogen, gewässert und für die speziellen Anforderungen eingeschnitten. Nach natürlicher, jahrelanger Lufttrocknung wurden in der Werkstatt und der Trockenkammer die endgültigen Trocknungswerte erzielt, bevor aus dem Holz das Orgelgehäuse, die Windladen, der Balg und die Mechanik gebaut wurden.

Das Orgelmetall ist immer eine Legierung aus Zinn, Blei und Anteilen von Kupfer, Antimon und Wismut. Für das Pfeifenwerk der Altbulacher Orgel haben wir drei unterschiedliche Legierungen gegossen: 82%iges Zinn für den Principal 4’ im Prospekt, 98%iges Blei für die Rohrflöte 4’ und den Nasard 2 2/3’ und 52%iges Zinn für die Octave 2’. Die Kerne der Metallpfeifen sind alle von dem hochprozentigen Blei, Rückseite der Festschriftda diese Legierung sehr stabil ist und sich zugleich beim Intonieren, bei der Ausarbeitung des Klanges, sehr gut formen lässt.

Von großer Bedeutung für einen ansprechenden Orgelklang ist die Aufstellung des Pfeifenwerks. Begegnen sich nämlich durch chromatische Aufstellung, also dadurch, dass Halbtöne nebeneinander stehen, Schallfelder ähnlicher Frequenz, beginnen diese miteinander zu streiten. Ein Schallfeld will dem anderen den Platz streitig machen, wodurch ganz eigenartige, den Klang störende Schwingungen auftreten. Mit einem seit Jahrhunderten erprobten Mittel lassen sich diese Streitereien befrieden: man bringt die Störenfriede mittels „Terzaufstellung“ auseinander. Das sichtbare Register im Orgelprospekt, also die erste von sechs weiteren Pfeifenreihen, zeigt, was damit gemeint ist. Man verteilt die Pfeifen abwechselnd auf die linke und rechte Seite, und dort werden sie nochmals geteilt. Nun stehen nicht Halbtöne und auch nicht Ganztöne, sondern Terzen nebeneinander, die sich geradezu mögen. Zwischen der linken und rechten Seite und flankierend nach außen stehen große Pfeifen als Grenzwächter.

Unser aller Gehör ist ein extrem feines Organ, und es sagt uns genau, was uns mehr oder weniger gefällt. Wir hören letztlich auch, wie eine Mechanik arbeitet, in welcher Weise es dem Organisten möglich ist, ein Tonventil zu öffnen und zu schließen. Nur dann, wenn die Verbindung zwischen der Taste und dem Tonventil, Traktur genannt, wendig ist und präzis repetiert, kann der Spieler musikalisch auf die Ansprache des Pfeifenwerks einwirken.

Die neue Orgel der Mauritiuskirche hat sieben Register, von denen fünf mit der Manualklaviatur und zwei mit der Pedalklaviatur gespielt werden. Jedes Register hat so viele Pfeifen oder Töne, wie die Klaviatur Tasten zählt. Es ist unser Ziel, beim Intonieren jedem einzelnen Ton seine der Bauart entsprechende Eigenart des Klanges zu lassen. Natürlich sollen die Töne innerhalb der Reihe gut miteinander harmonieren aber ebenso lebendig und mit eigenem Charakter singen und klingen.
Wir sind der Alt- und Neubulacher Kirchengemeinde sehr dankbar und verbunden für das geschenkte Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue Orgel in der Mauritiuskirche dazu hilft, die Inhalte der Gottesdienste zu vertiefen und dass sie zuverlässige Partnerin beim Musizieren wird.
Johannes Rohlf

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