Die
neue Orgel und ihr Klang
Der spezifische Klang eines
Musikinstruments entscheidet über seine Güte. Auch bei der Orgel
ist das so. Je nach Instrumentengattung spielen für die Klanggebung
sehr unterschiedliche Materialien und Funktionsweisen eine Rolle. Abgesehen
von elektronischen Musikinstrumenten erzeugen die meisten Tasteninstrumente
den Klang mittels Stahl- oder Messingsaiten, gezupft oder geschlagen, deren
Schwingungen über Resonanzholz, über einen Resonanzboden verstärkt
werden. Letztendlich versetzt die Energie des Fingers, also die Kraft des
Spielers, die Saite in Schwingung, welche zusammen mit dem erregten Resonanzholz
den Klang hervorbringt.
Die Energie zum Erzeugen
des Orgeltones kommt dagegen nicht vom Spieler, sondern vom Balg. Dem Orgelspieler
wird über komprimierte Luft, über gespeicherten Wind die wesentliche
Energie zur Tonerzeugung bereitgestellt. Den Windvorrat besorgt entweder
ein Bälgetreter, auch Kalkant genannt, oder ein Schleudergebläse.
Die Arbeit des Organisten besteht lediglich im Öffnen und Schließen
von Ventilen, was mittels Tasten und Registerzügen bewerkstelligt
wird.
So gesehen ist die Orgel
ein recht stark technisiertes Gerät, das oft als Maschine oder Skulptur
gesehen wird. Selbst der Orgelbauer kann sich in der Technik des Instruments
oder seiner Architektur verfangen und den Blick für das Eigentliche
verlieren, anstatt sowohl die technische Funktion als ebenso die äußere
Gestalt im Dienst des Klanges zu sehen.
Für uns Orgelbauer im
Seitzental ist die Orgel zuallererst ein Musikinstrument. Vom ersten Zeichenstrich
an bedenken wir die akustische Seite der Orgel, die praktisch mit allem,
was wir tun, berührt wird. Alle Maße, die Windanlage, die Funktionsweise
der Mechanik, der Standort jeder einzelnen Pfeife im Instrument, die Materialien
und die Behandlung des Materials im Detail; alles dies beeinflusst den
Klang und wird deshalb immer wieder hinterfragt und an unseren Erfahrungen
gemessen.
Anders als beim Saiteninstrument
ist aber z.B das Holz des Orgelgehäuses nicht direkt an der Tonentstehung
beteiligt, wohl aber an der Einfärbung des Klanges. Mit dem Material
werden Hohlräume geschaffen, welche Luft umschließen, die durch
den Wind in Schwingung versetzt wird. So auch die Luft im Hohlraum des
Pfeifenkörpers. Um diesen herum bildet sich dann ein Schallfeld, das
die Luft im Orgelkasten erregt.
Nun sind wir in der glücklichen
Lage, aus einer jahrhunderte währenden Tradition heraus arbeiten zu
können. Da wir den herrlichen Klang historischer Instrumente schätzen
und diesen für die Wiedergabe unsrer kostbaren, abendländischen
Orgelliteratur ebenso wünschen, wie für die Gestaltung des Gottesdienstes,
besitzen wir beste Vorgaben für die Orgelplanung. Wir sind uns darin
sicher, auf diesem Weg der Zukunft der Orgel am nützlichsten zu sein.
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Die neue Orgel für
die Mauritiuskirche in Altbulach wurde im Sinn dieser Ausrichtung gebaut.Das Eichenholz wurde aus
dem Schönbuch bezogen, gewässert und für die speziellen
Anforderungen eingeschnitten. Nach natürlicher, jahrelanger Lufttrocknung
wurden in der Werkstatt und der Trockenkammer die endgültigen Trocknungswerte
erzielt, bevor aus dem Holz das Orgelgehäuse, die Windladen, der Balg
und die Mechanik gebaut wurden.
Das Orgelmetall ist immer
eine Legierung aus Zinn, Blei und Anteilen von Kupfer, Antimon und Wismut.
Für das Pfeifenwerk der Altbulacher Orgel haben wir drei unterschiedliche
Legierungen gegossen: 82%iges Zinn für den Principal 4’ im Prospekt,
98%iges Blei für die Rohrflöte 4’ und den Nasard 2 2/3’ und 52%iges
Zinn für die Octave 2’. Die Kerne der Metallpfeifen sind alle von
dem hochprozentigen Blei, da diese Legierung sehr stabil ist und sich zugleich
beim Intonieren, bei der Ausarbeitung des Klanges, sehr gut formen lässt.
Von großer Bedeutung
für einen ansprechenden Orgelklang ist die Aufstellung des Pfeifenwerks.
Begegnen sich nämlich durch chromatische Aufstellung, also dadurch,
dass Halbtöne nebeneinander stehen, Schallfelder ähnlicher Frequenz,
beginnen diese miteinander zu streiten. Ein Schallfeld will dem anderen
den Platz streitig machen, wodurch ganz eigenartige, den Klang störende
Schwingungen auftreten. Mit einem seit Jahrhunderten erprobten Mittel lassen
sich diese Streitereien befrieden: man bringt die Störenfriede mittels
„Terzaufstellung“ auseinander. Das sichtbare Register im Orgelprospekt,
also die erste von sechs weiteren Pfeifenreihen, zeigt, was damit gemeint
ist. Man verteilt die Pfeifen abwechselnd auf die linke und rechte Seite,
und dort werden sie nochmals geteilt. Nun stehen nicht Halbtöne und
auch nicht Ganztöne, sondern Terzen nebeneinander, die sich geradezu
mögen. Zwischen der linken und rechten Seite und flankierend nach
außen stehen große Pfeifen als Grenzwächter.
Unser aller Gehör ist
ein extrem feines Organ, und es sagt uns genau, was uns mehr oder weniger
gefällt. Wir hören letztlich auch, wie eine Mechanik arbeitet,
in welcher Weise es dem Organisten möglich ist, ein Tonventil zu öffnen
und zu schließen. Nur dann, wenn die Verbindung zwischen der Taste
und dem Tonventil, Traktur genannt, wendig ist und präzis repetiert,
kann der Spieler musikalisch auf die Ansprache des Pfeifenwerks einwirken.
Die neue Orgel der Mauritiuskirche
hat sieben Register, von denen fünf mit der Manualklaviatur und zwei
mit der Pedalklaviatur gespielt werden. Jedes Register hat so viele Pfeifen
oder Töne, wie die Klaviatur Tasten zählt. Es ist unser Ziel,
beim Intonieren jedem einzelnen Ton seine der Bauart entsprechende Eigenart
des Klanges zu lassen. Natürlich sollen die Töne innerhalb der
Reihe gut miteinander harmonieren aber ebenso lebendig und mit eigenem
Charakter singen und klingen.
Wir sind der Alt- und Neubulacher
Kirchengemeinde sehr dankbar und verbunden für das geschenkte
Vertrauen und wünschen sehr, daß die neue
Orgel in der Mauritiuskirche dazu hilft, die Inhalte der Gottesdienste
zu vertiefen und dass sie zuverlässige Partnerin beim Musizieren wird.
Johannes Rohlf
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